Warum haben Sie die Kampagne „Wer ich bin? Die Pflege!“ ins Leben gerufen?
Sandra Postel: Aktuell laufen wir auf eine neue Dimension des Pflegenotstands zu. Allein im vergangenen Jahr sind bundesweit 9000 Kollegen aus dem Pflegeberuf ausgestiegen. Die Unzufriedenheit steigt, durch die Pandemie hat sich die Situation in vielen Bereichen zugespitzt – und der Pflexit wird nach dem Ende der Pandemie weitergehen, wenn sich nicht schnell etwas ändert. Deshalb wollen wir mit der Kampagne ein Zeichen setzen und die Pflegefachpersonen, die eine lebensnotwendige und hervorragende Arbeit leisten, in den Fokus rücken.
Die Pflegekammer NRW ist noch nicht gegründet, dennoch ist der Errichtungsausschuss schon politisch aktiv. Warum?
Diese Frage ist natürlich berechtigt, denn wir sind noch nicht demokratisch legitimiert. Wir mussten und müssen gut abwägen. Auf der einen Seite gibt es einen Unterschied zwischen den beiden Phasen – der Errichtung und der Aktivität einer aufgebauten Kammer. Auf der anderen Seite leben wir in besonderen Zeiten. Aufgrund der Pandemie hat sich die Situation der Pflege weiter verschlechtert. Deshalb haben wir keine Zeit, um abzuwarten und nur die Hülle der Pflegekammer aufzubauen. Dann würden uns später sicherlich viele Kollegen fragen, wo wir während der Pandemie gewesen sind – und das zurecht!
Welche Themen sind Ihnen besonders wichtig, welche Forderungen haben Sie an die Politik?
Für uns steht das Thema Arbeitsbedingungen ganz oben auf der Prioritätenliste. Wir fordern ein Leistungsversprechen der Politik für Pflegende, damit die Arbeitsbedingungen wieder erträglich werden. Außerdem setzen wir uns für eine angemessene Vergütung pflegerischer Leistungen mit einem Bruttoeinstiegsgehalt von 4000 Euro ein. Um die pflegerische Versorgung in Deutschland nachhaltig zu sichern, fordern wir eine Grundsatzentscheidung für eine vernünftige und transparente Refinanzierungsstruktur.
Grundsätzlich müssen wir raus aus der Fremdbestimmung! Keine Entscheidung darf mehr über die Köpfe der Pflege hinweg getroffen werden. Deshalb müssen die Kammern beispielsweise in die Umsetzung von Pflegestellenförderprogrammen eingebunden werden. Und natürlich gehört die Pflege an die Krisentische, um Fehler wie in der aktuellen Pandemie zu vermeiden.